Schlagen in der Schule



"I will Cane you" scherzt Küchenchefin Irene, damit wir ja die Soße aufessen.
,,Nutzt den Cane!" hatte der Schulleiter bei dem Staffmeeting gesagt.
Der Cane ist ein dünner Stock, mit dem Schüler_innen auf den Po, auf die Wade oder sogar auf die Hände geschlagen werden können. Nur damit würden die Schüler_innen Disziplin zeigen und lernen.
Er habe damit schon vielen Klassen zu besseren Noten verholfen.
An unserer Schule wird der Cane benutzt, um Schüler_innen zu bestrafen, die zu spät sind, schwänzen, sich ,,stubborn" verhalten oder sogar für einen Fehler beim Volleyballtraining.
Schon ganz am Anfang haben wir bei einer gemütlichen Runde mit ein paar Lehrern über das Thema gesprochen.
"Wird in Deutschland geschlagen?" wurden wir dann gefragt.
Wir erzählen dann, dass unsere Eltern oder Großeltern geschlagen wurden, wir aber mit der Überzeugung groß gezogen wurden, dass diese Art der Bestrafung schlecht ist.
"Afrikanische Kinder haben nun mal harte Ohren",
"Ich wurde als Kind auch geschlagen, das hat mir nur gut getan"
haben dann einige Lehrer gesagt, ich wusste nicht was ich darauf antworten konnte, wir haben dann auch bald über einfachere Themen gesprochen.
Aber beschäftigen tut es mich oft, weil es bei uns an der Schule zum Alltag dazu gehört.

In den größeren Städten und einigen Schulen wird versucht das Schlagen abzuschaffen oder zumindest einzudämmen. Wir haben von anderen Freiwilligen Geschichten über den Unterricht von 3-Jährigen gehört die geschlagen werden, aber auch von Schulen, wie zum Beispiel einer Montessori Schule, denen wichtig ist, dass nicht geschlagen wird. Joseph sagt, dass in den Schulen in Accra auch nicht mehr geschlagen wird.
Bei uns im Dorf wird diese Form der Bestrafung meist nicht hinterfragt. Die Schüler_innen kennen es von Zuhause und sehen es, glaube ich, auch oft als gerechtfertigt an, als logische Folge.
Das was bei uns heute als absolutes Tabu gilt, ist hier Teil der gleichzeitig sehr liebevollen Erziehung.

Wir können und sollen nichts dagegen tun, aber wie gehe ich damit um? Und vor allem, wie denke und erzähle ich darüber ?
Wir kennen nur unsere Erziehung und stehen voll dahinter, die Lehrer_innen kennen ihre und sind von ihr überzeugt.

Strafen sind Teil jeder Erziehung.
Ich halte die meisten Lehrer_innen der Schule auch für sehr kompetent, sie engagieren sich für die Kinder und wollen das Beste für ihre Schüler_innen.
Es wird auch scherzhaft gedroht oder leichte Kläpse verteilt, der Übergang ist so fließend, dass wir da nicht so richtig durchblicken können.
Irgendwie wird es aber auch für uns zur Normalität, es bleibt uns auch nicht so richtig etwas anderes übrig.
Die Lehrer_innen sind unsere Freunde und es würde niemandem helfen, wenn wir sie dafür hassen würden.
Manchmal gucke ich sogar hin - wie alle die in der Nähe sind.
Ich will nicht urteilen und weiterhin, das Gespräch darüber suchen und zuhören, dabei aber auch meine Einstellung erklären.

Die Lehrer_innen akzeptieren, dass wir nicht schlagen wollen und bitten uns immer freche Schüler_innen zu ihnen zu schicken, damit sie sie für uns bestrafen (schlagen) können.
Das wollen wir natürlich auch nicht, es ist aber eine große Herausforderung für uns, uns trotzdem durchzusetzen und für Ruhe zu sorgen.
Schlagen werden wir wohl nie ;)
Auch wenn mir ein Schüler heute versprochen hat, mir morgen einen Cane mitzubringen, als ein sehr frecher Schüler einfach nicht hören wollte.
Wir hätten garantiert mehr Autorität.
Es ist erstaunlich wie sich die Stimmung und vor allem die Lautstärke ändert, wenn ein_e Lehrer_in mit dem Stock auftaucht.

Joseph sagt, dass das Canen aber auch schon weniger geworden sei und in einigen Generationen ganz aufhören wird.
Bis dahin sei es aber für einige Schüler_innen das Einzige, was sie verstehen.

Auf dem Zwischenseminar haben wir mit Father Augustin über dieses Thema gesprochen. Er kritisiert diese Bestrafung sehr. Er hat es so erklärt: "Wenn Erwachsene etwas an ihren Kindern sehen, dass sie selbst nicht an sich mögen, wollen sie ihre Kinder davon abhalten. Anstatt aber zu erklären, warum sie sich nicht so zu verhalten haben, schlagen sie zu und die Kinder lernen sich vor den Eltern so zu verhalten, wie die Eltern es sehen möchten. Deshalb passiert alles Verbotene heimlich, was Aufklärung, Verständnis und Entwicklung verhindert. Gleichzeitig werden Talente unterdrückt und das 'Cheaten' zur Überlebensstrategie.
Die vielen Ghanaer die in Europa oder Amerika studieren oder arbeiten bringen die neuen Erziehungsmethoden mit nach Ghana." Deshalb sagt auch er, dass Gewalt in der Erziehung mit der Zeit auch in Ghana zum Tabu werden wird.

Wie immer nur eine sehr subjektive Sichtweise, diesmal zu einem sehr schwierigem Thema.
Seid Beginn des Jahres schreibe ich an diesem Text und habe mit einigen Menschen darüber gesprochen. Nachdem ich dann auf dem Zwischenseminar den Text den Teamern zeigen konnte, traue ich mich das Ganze ins Internet zu stellen.

Luisa

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